Beleuchtungstechnische Aspekte in der Refraktion
In der derzeit gültigen Norm DIN EN ISO 8596, 2009 sind viele Aspekte der Brillenglasbestimmung geregelt. So auch die Testfeldleuchtdichte des Sehtests und die Leuchtdichte der Optotypen. Die Beleuchtung des Refraktionsraumes hat jedoch einen nicht unerheblichen Einfluss auf die gefundenen Dioptrienwerte. Deshalb regelt die DIN EN ISO 8596, 2009 neben den Testzeichen auch die Umgebungsleuchtdichte des Prüfraums – wenn auch nicht in einem befriedigenden Maße.
Photopische, mesopische und skotopische Adaption des Auges
Das menschliche Auge hat die Fähigkeit in einem sehr großen Spektrum an Leuchtdichten Informationen wahrzunehmen. So können Leuchtdichten in einem Intervall von bis zu 11 Zehnerpotenzen – von 105 bis 10-6 cd/m2 verarbeitet werden [1].
Abb 1: Leuchtdichten bei unterschiedlichen Adaptionen.
Das Auge kann im Wesentlichen auf drei unterschiedliche Beleuchtungssituationen adaptieren:
- Photopische Adaption: > 10 cd/m2
- Mesopische Adaption: 10 cd/m2 bis 0,01 cd/m2
- Skotopische Adaption: < 0,01 cd/m2
Beim Sehen unter Tageslichtbedingungen, also beim photopischen Sehen – ist die Pupille eng gestellt und weist eine Blendenwirkung auf. Dies führt dazu, dass Randstrahlen ausgeblendet werden. Das Maximum der Sehschärfe wird beim Sehen unter photopischer Adaption in einem sehr kleinen retinalen Bereich, in der Fovea centralis erreicht. Zur Peripherie hin fällt die Sehschärfe sehr rasch ab. Bereits 10° außerhalb der Fovea centralis beträgt die Sehschärfe nur mehr 10-20% [2] des VisusCC.
Abb 2: Sehen bei photopischer Adaption.
Nimmt man nun den extremen Gegenpol der Umgebungsleuchtdichte, also dunkle Nacht, so geht die Pupille in ihre Maximalgröße. Bei dieser skotopischen Adaption liegt ein reines Stäbchensehen vor.
Abb 3: Sehen bei skotopischer Adaption.
Kommt es von einer Umstellung von heller auf dunkle Umgebung (etwa bei einem Eintritt in einen völlig abgedunkelten Prüfraum), so dauert es etwa 7 Minuten, bis das Zapfensehen auf Stäbchensehen umgestellt ist. Der Punkt in der Adaption, an dem die minimale Schwelle der Zapfen erreicht ist, und die schwachen Lichtintensitäten ausschließlich nur mehr von Stäbchen wahrgenommen werden, wird Kohlrausch-Knick genannt [3].
Abb 4: Kohlrausch-Knick bei der Umstellung von Zapfensehen auf Stäbchensehen.
Bei vollkommen skotopischer Adaption liegt ein physiologisches Zentralskotom vor, da die Zapfen am Sehakt nicht mehr beteiligt sind und in der Fovea centralis keine Stäbchen vorhanden sind. Daher führt der Name skotopisches Sehen. Die beste erreichbare Sehschärfe befindet sich in der skotopischen Adaption etwa 10-20° außerhalb der Fovea centralis, da in diesem Bereich die höchste Dichte an Stäbchen im gesamten Netzhautareal vorzufinden ist.
Bei geringen Leuchtdichten – also zwischen dem Sehen unter photopischen und skotopischen Bedingungen – ist das Zapfensehen wohl noch vorhanden, aber die Stäbchen spielen bereits eine größere Rolle als beim photopischen Sehen. Dieser Zustand wird mesopisches Sehen oder auch Dämmerungssehen genannt.
Abb 5: Sehen bei mesopischer Adaption.
Beim Übergang vom photopischen zum mesopischen Sehen verändert sich die Helligkeitsempfindlichkeit des Auges. Das Maximum der Helligkeitsempfindlichkeit verschiebt sich mit abnehmender Umgebungsleuchtdichte zu kleineren Wellenlängen hin. Mit anderen Worten – man nimmt unter mesopischen Bedingungen blaue Gegenstände stärker wahr als unter photopischen Bedingungen. Dieses Phänomen wird Purkinje-Effekt genannt.
Die Leuchtdichte
Die Leuchtdichte – auf Englisch luminance – liefert Angaben über den Lichtstrom der in einem gewissen Winkel von einer Lichtquelle abgegebenen wird. Die Leuchtdichte einer Fläche bestimmt, mit welcher Helligkeit das Auge diese Fläche wahrnimmt [4].
Situation | cd/m² |
Straßenmarkierungen in der Nacht, vom KFZ angeleuchtet | 3-30 |
Fußgänger bei Tag | 20-200 |
Weißes Papier | 2,5-200 |
Wände und Decken im Innenraum bei Beleuchtung mit 100-500 lx | 1-500 |
Selbstleuchtende Verkehrszeichen | 30-300 |
Bedeckter Himmel (Tag) | 2×103 – 8×103 |
Blauer Himmel | 5×103 – 3×104 |
Tabelle 1: Beispiele von Leuchtdichten im Alltag [5].
Zusammenhang zwischen Sehschärfe und Leuchtdichte
Der beste Visus wird unter Tageslichtbedingungen bei photopischer Adaption erreicht. Die Gründe dafür liegen in der hohen Dichte von 150.000 Zapfen pro mm2 im Areal der Foveola[6], in der eng gestellten Pupille, welche dadurch Linsenfehler wie die sphärische Aberration minimiert und in der prinzipiell besseren retinalen Verarbeitung der Bildinformationen bei höheren Leuchtdichten.
Abb 6: Sehschärfe im Zusammenhang mit der Leuchdichte [7].
Die Sehschärfe steigt mit zunehmender Leuchtdichte bis 103 cd/m2 an. Bei weiter ansteigenden Leuchtdichten kommt es allerdings zu Blendungserscheinungen und zu einem Abfall des Visus. Bei Leuchtdichten über 104 cd/m2reicht die Adaption des Auges nicht mehr aus und es kommt zur Absolutblendung. Schutzreaktionen wie das Zukneifen der Augenlider und vermehrter Tränenfluss sind die Folgen. Erfolgt eine Belastung durch hohe Lichtenergien über einen längeren Zeitraum, so sind Schäden der Netzhaut nicht auszuschliessen [8].
Zusammenhang zwischen Refraktionswert und Leuchtdichte
Mehrere Studien haben sich mit dem Einfluss der Umgebungsleuchtdichte und den dadurch geänderten Dioptrienwerten beschäftigt. Artal et al (2012) kam zu einer Refraktionsänderung von -0,80 dpt bei der Reduzierung der Leuchtdichte von 20 cd/m2 auf 10-6 cd/m2 [9]. In der Studie von Cohen et al (2007) wird von einer Änderung um -1,20 dpt nach Dunkeladaptierung berichtet [10]. Fejer et al (1992) ermittelte Änderungen von -0,75 dpt bis -2,50 dpt bei der Dunkeladaptierung [11].
Tatsache ist, dass man als Augenoptiker und Optometrist davon ausgehen muss, dass sich der Refraktionswert bei unterschiedlichen Umgebungsleuchten im Prüfraum signifikant ändert. In Folge ist die Umgebungsleuchtdichte im Prüfraum kausal für das korrekte Messergebnis.
Die Beleuchtungsbedingung nach DIN EN ISO 8596, 2009
Die DIN EN ISO 8596, 2009 [12] legt für das Prüffeld des Sehtest eine Leuchtdichte von 80-320 cd/m² fest. Eine aktuelle Studie beschäftigte sich mit den Auswirkungen auf Refraktions- und Visuswerte bei niedrigeren Leuchtdichten des Sehtestprüffeldes als von dieser Norm vorgeschrieben. Sie zeigte auf, dass Refraktion und Visus in unterschiedlichen Abhängigkeiten zur Leuchtdichte des Sehtests stehen. Die Autoren kamen zum Schluss, dass die gefundenen Refraktionswerte relativ unabhängig von der Prüffeldleuchtdichte sind, der Visus allerdings mit abnehmender Leuchtdichte des Sehtests sinkt [13].
Die Umgebungsleuchtdichte im Refraktionsraum soll laut DIN EN ISO 8596, 2009 innerhalb eines Winkelbereichs von 10° 10-25% der Leuchtdichte des Prüffeldes und außerhalb des Winkelbereichs von 10° 1-25% der Leuchtdichte des Prüffeldes aufweisen [12,14]. Innerhalb des Gesichtsfeldes des Prüflings dürfen sich demnach keine direkten oder indirekten Lichtquellen und keinesfalls nicht abgedunkelte Fenster befinden.
Nimmt man 10% von 80 cd/m² und 25% von 320 cd/m², so kommt man auf geforderte Umgebungsleuchtdichten im Prüfraum von 8-80 cd/m2 innerhalb eines Winkelbereichs von 10°. Außerhalb des Winkelbereichs von 10° sollten die Umgebungsleuchtdichten im Prüfraum demnach nur 0,8 – 80 cd/m2 betragen.
Dies bedeutet, dass eine möglichst gleichmäßige, dimmbare Ausleuchtung des Prüfraums gegeben sein sollte. Allerdings gibt es auch Stimmen, welche eine Refraktionsbestimmung bei „normaler“ Adaption, also Tageslichtbedingungen einfordern. So geht Methling von einer korrekten Beleuchtung des Prüfraums mit 100-600lx aus [15]. In den Leitlinien des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands wird empfohlen, dass der Refraktionsraum „weder zu hell, noch zu dunkel“ ausgeleuchtet sein soll. Ideal wäre ein „mittleres Beleuchtungsniveau“. Als Anhaltswert geben diese Leitlinien vor, dass ein Nicht-Presbyoper mit Visus 1,0 gerade noch Zeitung lesen können soll [16]. Horning und Harms empfehlen, dass die Raumhelligkeit des Prüfraums „einer natürlichen Tagesbeleuchtung“ entsprechen soll [17]. Diepes gibt die ideale Raumbeleuchtung bei etwa 200lx an. Diese Werte werden am besten erreicht, wenn die Raumbeleuchtung indirekt ist, etwa mittels einer Abschattung in Richtung Sehprobe und Prüfling [18].
Abb 7: Beispiele für unterschiedliche Beleuchtungsstärken im Alltag.
Zudem gibt es auch sinnvolle Forderungen, bereits in der Anamnese die hauptsächlich vorkommenden Lichtverhältnisse des Kunden im Alltag zu ermitteln, da dies in die Lichtverhältnisse der Refraktionsbestimmung miteinbezogen werden sollte [19]. So wird ein in der Nacht fahrender Berufs-LKW-Lenker im Regelfall andere Adaptionszustände aufweisen als ein Landwirt. Dieser begrüßenswerte Vorschlag wurde in der geltenden DIN EN ISO 8596 leider noch nicht umgesetzt.
Fazit
Im Falle einer gutachterlichen Prüfung müssen jedoch die Vorschriften der DIN EN ISO 8596, 2009 auf jeden Fall eingehalten werden. Bei der „normalen“ Brillenglasbestimmung für die Anfertigung eine Brille oder die Anpassung von Kontaktlinsen sollte man sich zumindest anstrengen, die in der Norm angeführte Beleuchtungsvorgabe einzuhalten. Empfehlenswert wäre – wenn nicht bereits geschehen – den eigenen Prüfraum mit einem Luxmeter zu überprüfen.