Anwendung von Knochenleitungshörsystemen

Topic Progress:

1. Transkutane vs. perkutane Signalübertragung

Bei Knochenleitungshörsystemen gibt es zwei unterschiedliche Verfahren zur Übertragung der Vibrationen und Signale. Die perkutane und die transkutane (passiv, aktiv) Übertragung. Bei der perkutanen Signalübertragung werden die Vibrationen direkt auf den Schädelknochen aufgebracht, wobei die Haut überbrückt wird. Damit diese Art der Übertragung möglich ist, werden diese Systeme mit Implantaten realisiert und sind somit mit einer Operation verbunden. Bei der passiv transkutanen Signalübertragung werden die Vibrationen auf die Haut aufgebracht und über diese an den Schädelknochen weiter geleitet. Knochenleitungssysteme mit passiver transkutaner Übertragung sind ohne einem operativen Eingriff realisierbar.

Die nachfolgenden Abbildungen zeigen die Gegenüberstellungen in einer schematischen Darstellung (Masse-Feder-System) zwischen perkutaner und transkutaner Signalübertragung, mit dazugehörigem Beispiel einer Übertragungsfunktion des jeweiligen Systems.

BHM Signalübertragung

Bei der perkutanen Signalübertragung werden die vom Knochenleitungshörer erzeugten Vibrationen direkt auf den Schädelknochen übertragen. Die dabei resultierende Übertragungsfunktion entspricht somit jener des Knochenleitungshörers (Ein-Massen-Schwinger) direkt am Schädel gekoppelt. Die Eigenschaften des Schädels haben aufgrund der großen Masse und steifen Federeigenschaft keinen Einfluss auf den relevanten Frequenzbereich der Übertragungsfunktion. Für eine optimale Übertragung muss die Impedanz des knochenverankerten Knochenleitungssystems auf die Impedanz des Schädels abgestimmt sein.

Bei der passiv transkutanen Signalübertragung werden die Vibrationen über die Haut auf den Schädelknochen übertragen. Aufgrund der Eigenschaften der Haut und deren Impedanz ist es möglich in gewissen Frequenzen eine zusätzliche Verstärkung zu erreichen. Wie in der schematischen Darstellung zu sehen wirkt die Haut als zusätzlicher Ein-Massen-Schwinger mit geringer Masse und weichen Federeigenschaften. In dem dazugehörigen Beispiel einer Übertragungsfunktion ist diese Verstärkung in Form einer zusätzlichen Pegelerhöhung im Bereich um 2 kHz ersichtlich. Für eine optimale Übertragung muss die Impedanz des passiv transkutanen Knochenleitungssystems auf die Impedanz der Haut abgestimmt sein.

Die nachfolgende Abbildung zeigt die Hautdämpfung in dB bei einer transkutanen Übertragung (FHaut – FSchädel). Im Bereich von 500 Hz bis 4 kHz zeigt sich eine negative Dämpfungseigenschaft und somit eine Verstärkung des Signals. Dieser Frequenzbereich ist auch der für die Sprachverständlichkeit wichtige Bereich. Über 4 kHz erhält man eine deutliche Dämpfung des über die Haut übertragenen Signals.

BHM Bone
Abb: Bone Conduction Transducers and Output Variability
Bereitgestellt durch die BHM GmbH unter Quellenangabe:
Herman Lundgren, Department of Signals and Systems,
Chalmers University of Technology

Sprachbanane für Knochenleitung

Die „klassische“ Sprachbanane (siehe folgende Abbildungen) ist aus der Hörakustik und diversen Audiogramm-Anwendungen bekannt. Liegt die Hörschwelle (Luftleitung) über jener der Sprachbanane, so ist keine Hörverstärkung notwendig um Sprache zu verstehen. Der für die Knochenleitung relevante Frequenzbereich liegt zwischen 300 Hz und 4 kHz. Frequenzen über und unter diesem Bereich können nur mehr bedingt übertragen werden. Dieser Bereich deckt aber den wichtigen Frequenzbereich für die Sprachverständlichkeit ab.

BHM Sprachbanane Luftleitung

Die Null-Linie in einem Audiogramm entspricht gewissen Kraftpegeln für die Knochenleitung. Die Wahrnehmung über Knochenleitung ist ja bekannter Weise für den Menschen schwächer als über die Luftleitung. Daraus ergibt sich die Knochenleitungshörschwelle. Diese ist in der DIN-Norm EN ISO 389-3 festgehalten. Die nachfolgende Abbildung zeigt die Kurve dieser Knochenleitungshörschwelle.

BHM Knochenleitungshörschwelle

Durch Addition der Werte jedes Frequenzpunktes der klassischen Sprachbanane mit den Werten (in dB µN) der Frequenzpunkte der Knochenleitungshörschwelle erhält man die Sprachbanane für Knochenleitung. Diese ist in der folgenden Darstellung abgebildet.

BHM Sprachbanane Knochenleitung

Vergleich transkutan (passiv) vs. perkutan mit Hilfe der Sprachbanane für Knochenleitung

In die bestehende Sprachbanane für Knochenleitung kann nun leicht die Leistung bzw. Übertragungsfunktion eines Knochenleitungssystems eingetragen werden. Der Abstand zwischen der Knochenleitungs-Sprachbanane und der Übertragungsfunktion des Knochenleitungssystems ist die Verstärkung mit welcher der Patient hinsichtlich seiner Knochenleitungshörschwelle versorgt werden kann.

Die nachfolgende Abbildung zeigt die Sprachbanane für Knochenleitung mit einem Beispiel für eine perkutane (grüne Linie) und eine passiv transkutane (rote Linie) Übertragungsfunktion, von ein und demselben Knochenleitungshörsystem einmal knochenverankert (perkutan) und einmal am Artificial Mastoid (passiv transkutan) gemessen.

Aus der Grafik ist ersichtlich, dass bei Frequenzen unter 500 Hz keine große Verstärkung mit der Knochenleitung zu erzielen ist. In dem für die Sprachverständlichkeit relevanten Bereich zwischen 500 Hz und 4 kHz ist eine gute Verstärkung möglich, wobei in den Frequenzen von 1 kHz bis 4 kHz mehr Verstärkung bei der passiv transkutanen Signalübertragung (2ter Resonanz-Peak) im Vergleich zur perkutanen Signalübertragung aufgrund der Verstärkung durch die Haut möglich ist.

Des Weiteren ersichtlich ist die Dämpfung und Glättung der Übertragungsfunktion durch die Haut. Der maximale Ausgangskraftpegel wird reduziert.

BHM Knochenleitung Sprachbanane transkutan perkutan

Abb: Vergleich transkutan (passiv) vs. perkutan mit Hilfe der Sprachbanane für die Knochenleitung

2. Knochenleitungshörsysteme von BHM

BHM Knochenleitungshörsysteme sind für eine transkutane Energieübertragung (passiv) adaptiert. Im Vergleich zu einem knochenverankerten, implantierten Hörgerät, nützen diese Hörsysteme den natürliche Impedanz der Haut und somit die natürliche Verstärkung relevanter Frequenzen von 500 Hz – 4 kHz. Das Resultat ist ein umfassenderes Hörvermögen verglichen mit knochenverankerten, implantierten Hörgeräten.

2.1 AN-Evo1 (Hörbrille)

Die Knochenleitungshörbrille AN-Evo1 ist eine digitale Hochleitungs-Hörbrille für Erwachsene und besitzt einen maximalen Ausgangskraftpegel von 117 dBOFL und eine maximale Verstärkung von 48 dB. Sie verbindet höchste Klangqualität mit höchstem Tragekomfort. Die AN-Evo1, eine höchst wirkungsvolle Unterstützung und ein verlässlicher Partner bei konduktiver und kombinierter Hörverminderung.

BHM Hörbrille AN-Evo1
Abb: Symbolfoto Hörbrille AN-Evo1 inklusive Beschreibung

Die AN-Evo1 besitzt ein Mikrofon, eine im Bügel integrierte Telefonspule und einen Soundprozessor. Durch äußere Bedienelemente ist es möglich einen Hochpassfilter zu aktivieren, die Lautstärke zu regeln und das Gerät durch einen Schalter (0-T-M) in den Mikrofon- oder Telefonspulen-Modus zu schalten bzw. das Gerät auszuschalten. Des Weiteren verfügt die Hörbrille über ein Batteriefach für eine Hörgerätebatterie Größe 675 zur Versorgung der Elektronik. Im hinteren Teil ist der Knochenleitungshörer, der für die Vibrationsübertragung durch die Konduktorplatte auf den Mastoid zuständig ist, integriert. Über die Programmierbuchse und einem entsprechenden Programmierkabel (CS44) kann das Gerät über eine Kommunikationsschnittstelle (HI-PRO) mit dem Computer und mit der Anpasssoftware verbunden werden. Somit ist eine akustische Feinanpassung des Hörsystems möglich. Über die Steckverbindung mit inkludierter Rastfeder kann sie leicht sowohl an BHM als auch an handelsüblichen Brillenfronten gesteckt und somit verwendet werden.

Brille mit AN-Evo1
Abb: Brille mit AN-Evo1

2.2. contact star evo1 (Hörbrille)

Die digitale Knochenleitungshörbrille contact star evo1 ist geeignet für eine Versorgung von leichtem bis höherem Hörverlust und ist für Erwachsene als auch für Kinder ab 12 Jahren geeignet. Sie besitzt einen maximalen Ausgangskraftpegel von 111 dBOFL und eine maximale Verstärkung von 52 dB. Durch eine automatische Hörsituationserkennung – Sound Dynamics (BHM Automatik ) und die Möglichkeit einer In-Situ Audiometrie bietet die contact star evo1 eine optimale Sprachverständlichkeit und bestmögliche individuelle Anpassung am Kunden. Sie verbindet höchste Klangqualität mit höchstem Tragekomfort und zeugt in Punkto Individualität von besonderer Raffinesse. Die contact star evo1, eine höchst wirkungsvolle Unterstützung und ein verlässlicher Partner bei konduktiver und kombinierter Hörverminderung.

Symbolfoto Hörbrille contact star evo1 inklusiver Beschreibung
Abb: Symbolfoto Hörbrille contact star evo1 inklusiver Beschreibung

Die contact star evo1 besitzt ein Mikrofon, eine im Bügel integrierte Telefonspule und einen Soundprozessor. Durch äußere Bedienelemente ist es möglich die Lautstärke zu regeln und das Gerät durch einen Schalter (0-T-M) in den Mikrofon- oder Telefonspulen-Modus zu schalten bzw. das Gerät auszuschalten. Des Weiteren verfügt die Hörbrille über ein Batteriefach für eine Hörgerätebatterie Größe 675 zur Versorgung der Elektronik. Im hinteren Gehäuseteil ist der Knochenleitungshörer, der für die Vibrationsübertragung durch die Konduktorplatte auf den Mastoid zuständig ist, integriert. Über die Programmierbuchse und ein entsprechendes Programmierkabel (CS44) kann das Gerät über eine Kommunikationsschnittstelle (HI-PRO) mit dem Computer und der Anpasssoftware verbunden werden. Somit ist eine akustische Feinanpassung des Hörsystems möglich. Über die Steckverbindung mit inkludierter Rastfeder kann sie leicht sowohl an BHM als auch an handelsüblichen Brillenfronten gesteckt und somit verwendet werden.

Brille mit contact star evo1
Abb: Brille mit contact star evo1

2.3. contact mini (Miniatur Knochenleitungshörsystem)

Das digitale Miniatur-Knochenleitungshörsystem contact mini ist geeignet für eine Versorgung von leichtem bis höherem Hörverlust ab dem Kleinkindalter von 5 Monaten. Es ist speziell für Kinder und Kleinkinder entwickelt worden, ist aber aufgrund der vielseitigen Tragemöglichkeiten des Hörsystems eine attraktive Option für Erwachsene und Sportbegeisterte. Das contact mini besitzt einen maximalen Ausgangskraftpegel von 114 dBOFL und eine maximale Verstärkung von 51 dB. Durch eine automatische Hörsituationserkennung – Sound Dynamics (BHM Automatik) und die Möglichkeit einer In-Situ Audiometrie bietet das contact mini eine optimale Sprachverständlichkeit und bestmögliche individuelle Anpassung an den Kunden. Es verbindet höchste Klangqualität mit höchstem Tragekomfort. Das contact mini, eine höchst wirkungsvolle Unterstützung und ein verlässlicher Partner bei konduktiver und kombinierter Hörverminderung.

Symbolfoto Miniatur-Hörsystem contact mini inklusive Beschreibung
Abb: Symbolfoto Miniatur-Hörsystem contact mini inklusive Beschreibung

Das contact mini besteht aus zwei Komponenten bzw. Gehäuseteilen. Einer Elektronikeinheit und einer Hörereinheit. Die Elektronikeinheit besitzt ein Mikrofon und einem im Gehäuse integrierten Soundprozessor und bietet die Möglichkeit die Lautstärke durch einen Drehregler einzustellen. Das contact mini wird durch das Öffnen und Schließen des Batteriefaches aus- bzw. eingeschalten. Das Batteriefach ist mittels einer Kindersicherung gesichert. Zur Versorgung der Elektronik wird das Gerät mit einer Hörgerätebatterie der Größe 13 betrieben. Über die Programmierbuchse und einem entsprechendem Programmierkabel (CS44) kann das Gerät über eine Kommunikationsschnittstelle (HI-PRO) mit dem Computer und der Anpasssoftware verbunden werden. Somit ist eine akustische Feinanpassung des Hörsystems möglich. In der Hörereinheit befindet sich der Knochenleitungshörer, der für die Vibrationsübertragung durch die Konduktorplatte auf den Mastoid zuständig ist. Die beiden Einheiten werden durch ein Verbindungskabel miteinander verbunden, damit die Signalübertragung von der Elektronikeinheit zur Hörereinheit gewährleistet ist. Das contact mini kann an verschiedenste Tragemöglichkeiten wie Haarreifen, Stirnbänder, Caps, etc. montiert werden. Eine individuelle Anpassung ist auf Anfrage möglich. Es wurden bereits Projekte mit einem Ski Helm als auch einer Laufkappe für Marathonläufer realisiert.

contact mini Varianten

2.4. apollon (Taschengerät)

Das Hörsystem apollon ist ein digitales Hochleitungs-Taschenhörgerät für Erwachsene und Kinder ab 5 Jahren. Es kann sowohl als Luftleitungs- als auch als Knochenleitungshörgerät betrieben werden. Als Knochenleitungshörsystem besitzt das apollon einen maximalen Ausgangskraftpegel von 125 dBOFL bei monauraler Anwendung und 116 dBOFL pro Seite bei binauraler Anwendung. Die maximale Verstärkung liegt bei 64 dB (monaural) bzw. bei 55 dB (binaural). Mit diesem Hörsystem kann nahezu jeder Hörverlust auch mit Knochenleitungstechnologie versorgt werden.

Symbolfoto Taschenhörgerät apollon inklusiver Beschreibung
Abb: Symbolfoto Taschenhörgerät apollon inklusiver Beschreibung

Das apollon besitzt ein Mikrofon und eine im Gehäuse integrierte Telefonspule. Im Inneren steckt des Weiteren ein mehrkanaliger Soundprozessor der neuesten Generation der vom Arzt oder Akustiker mittels passender Anpasssoftware ganz individuell an die Hörbedürfnisse seines Nutzers angepasst wird. Über die Programmierbuchse, die sich hinter dem Klipp befindet, und einem entsprechendem Programmierkabel (CS44) kann das Gerät über eine Kommunikationsschnittstelle (HI-PRO) mit dem Computer und der Anpasssoftware verbunden werden. Somit ist eine akustische Feinanpassung des Hörsystems möglich.

Durch die äußeren Bedienelemente ist es möglich die Lautstärke zu regeln und das Gerät durch einen Schalter (0-T-MT-M) in den Mikrofon- (M) oder Telefonspulen-Modus (T) oder Mikrofon-Telefonspulen-Kombinationsmodus (MT) zu schalten bzw. das Gerät auszuschalten (0). Die großen Bedienelemente sowie eine praktische optische Batteriewarnung ermöglichen auch kleineren Kindern oder Menschen mit Handicap, das apollon selbst zu bedienen.

Des Weiteren verfügt das Taschenhörgerät über ein Batteriefach für zwei AA Batterien zur Versorgung der Elektronik. Ohne zusätzliche Adaptierungen lässt sich apollon mit MP3-Playern sowie Funk- und Bluetooth-Systemen oder externen Mikrofonen (3,5 mm Klinke Line-In Eingang und DAI Eingang) kombinieren. Das benutzerfreundliche Gerät ist außerdem mit einem praktischen Hemdklipp ausgestattet und kann damit ganz einfach an der Hemdtasche, aber auch am Gürtel oder an einem Umhängeband befestigt werden. Bei Bedarf kann das apollon auch mit einem externen Mikrofon verwendet werden.

Mittels eines Verbindungskabels wird das Taschenhörgerät mit dem/die Knochenhörer verbunden. Für die Signalübertragung werden die Knochenhörer mit einem Haarreifen auf den Mastoid aufgesetzt.

apollon Taschengerät
Abb: apollon Taschengerät

2.5. Knochenleitungshörer

Knochenleitungshörer sind elektrodynamische Wandler, die mit diversen Audiogeräten (z.B. Hörgerät, MP3-Player oder Kommunikations- bzw. Funkgerät) betrieben werden können. Im Gegensatz zu Schallwandlern, wie etwa Kopfhörer, wird das elektrische Signal nicht auf akustischem Wege auf das Trommelfell, sondern in Form von mechanischen Schwingungen über die Haut und dem Schädelknochen direkt auf das Innenohr übertragen.

Knochenleitungshörer sind je nach Gebrauch und Anwendung in unterschiedlichen Impedanzvarianten, Leistungen und Steckanbindungen erhältlich.

Beispiele von unterschiedlichen Knochenleitungshörern
Abb: Beispiele von unterschiedlichen Knochenleitungshörern

Knochenleitungshörer können in Bereichen eingesetzt werden, in denen die akustische Signalübertragung nur eingeschränkt oder gar nicht möglich ist. Beispielsweise ist die Kommunikation in Umgebungen mit hohem Lärmpegel und bei Verwendung eines Gehörschutzes gewährleistet. Genauso beim Tiefseetauchen aber auch im luftleeren Raum ist Hören mithilfe der Knochenleitungshörer möglich.

Einer der größten Vorteile der Knochenleitungshörer: Die Technik steckt nicht im Ohr, sondern dahinter. Was bedeutet, dass man noch ausreichend von seiner Umgebung wahrnimmt. Beim Joggen, Radfahren oder anderen Freizeitaktivitäten ist das ein großes Sicherheitsplus. Die Technik funktioniert auch unter Wasser, das heißt beim Sporttauchen kann man damit auch unter Wasser kommunizieren.

3. Anpassung von Knochenleitungshörgeräten

Die Anpassung eines Knochenleitungshörsystems ist für den Hörgeräte-Akustiker denkbar einfach und wird je nach Bedarf und Hörverlust des Kunden monaural (am schlechter hörenden Ohr) oder binaural (an beiden Ohren) durchgeführt. Es sei aber erwähnt, dass – ebenso wie bei anderen Hörhilfen auch – Knochenleitungshörsysteme nach Möglichkeit immer beidseitig angepasst werden sollten.

Eine beidseitige (binaurale) Anpassung verbessert …

  • … das allgemeine Hörvermögen.
  • … die Verstärkungsanforderungen die geringer werden.
  • … das Zuhören und Lernen.
  • … die Lokalisierung von Geräuschen.
  • … die Qualität der Geräusche.

3.1. Anpassung Knochenleitungshörbrille

(AN-Evo1, contact star evo1)

Die Knochenleitungshörbrille wird in vier Schritten an den Kunden angepasst:

  • Auswahl der passenden Brillenfront
  • Auswahl und Bestimmung der Ansatzstücke mit richtiger Länge
  • Mechanische Anpassung durch Biegen des Hörbügels
  • Akustische Anpassung mittels Anpasssoftware

Auswahl der passenden Brillenfront

Zunächst wird der entsprechende Vorderteil (Brillenfront) nach folgenden Gesichtspunkten ausgewählt:

  • Der Vorderteil soll die Breite des Schädels bei den Ohren haben, so dass die angesetzten Bügel nahezu im rechten Winkel zum Vorderteil stehen.
  • Der Nasenrücken des Vorderteils soll auf der Nase voll aufliegen, aber nicht drücken.
  • Da Brillenvorderteile den nötigen Anpressdruck aufbringen müssen, empfiehlt es sich, BHM-Brillenfronten und BHM-Ansatzstücke zu verwenden, da diese eine entsprechende Stabilität aufweisen.

Auswahl der passenden Brillenfront

Die richtige Größe der Brillenfront wird direkt am Kunden mit Hilfe eines geeigneten Messmittels (Lineal, PD-Messstab o.ä.) wie in den folgenden Abbildungen ermittelt. Dabei ist es nötig das Maß C – die Breite der Nase – und das Maß B – die Breite des Brillenglases – zu messen. Diese zwei Abmessungen definieren die Größe der Brillenfront.

Maß C: Breite der Nase Maß B: Breite des Brillenglases

Maß C: Breite der Nase
Maß B: Breite des Brillenglases

Beispiele diverser Brillenfronten:

Brillenfronten

Auswahl und Bestimmung der Ansatzstücke mit richtiger Länge

Die Ansatzstücke sind das Verbindungsglied zwischen der Brillenfront und dem Hörbügel. Mittels einer Schraube am Scharnier der Brillenfront wird das Ansatzstück durch die vorhandene Öse im vorderen Bereich an die Brillenfront verschraubt. Der Hörbügel ist mit einer Öffnung und integrierter Rastfeder ausgestattet, sodass dieser auf den entsprechenden Rastzapfen am Ansatzstück gesteckt werden kann. Diese Ansatzstücke sind mit wenigen Handgriffen auswechselbar und die richtige individuelle Länge leicht einzustellen.

Beispiel der Ansatzstücke in verschiedenen Größen in der Farbe Silber

BHM Ansatzstücke in verschiedenen Größen in der Farbe Silber

Anpasshilfe

Zur Bestimmung der richtigen Länge der Ansatzstücke und auch zur ersten Anprobe der Knochenleitungshörbrille wird ein Messadapter, wie in der Abbildung gezeigt, verwendet.

BHM Messadapter: MA1
Abb: Messadapter: MA1

Der Messadapter wird mit der Öffnung an die Scharnierteile der Brillenfront gesteckt und mit der Schraube fixiert. Danach werden die Bügel auf die Rastzapfen der Anpasshilfe bis zum Anschlag aufgeschoben und die Reiter des Messadapters auf beiden Seiten so lange verschoben, bis der Bügelbogen des Brillenbügels über dem Scheitelpunkt des Ohres zu liegen kommt.

Messadapter

Die nun sichtbare Zahl auf dem Messadapter entspricht der Größe, bzw. Länge des Ansatzstückes.

BHM Messadapter: MA1

Mechanische Anpassung durch Biegen des Hörbügels

Der Anpressdruck ist individuell verschieden und kann in Abstimmung mit dem Kunden leicht ermittelt werden, indem das subjektive Empfinden des Kunden Berücksichtigung findet. Durch vorsichtiges Nachbiegen des Bügelhinterteiles ist dafür zu sorgen, dass der Konduktorknopf vollflächig auf dem Mastoid aufliegt.

Ventilette
Abb: Ventilette

Das Nachbiegen erfolgt nach ausreichender Erwärmung des Bügels mittels Heißluft ausschließlich am Bügelbogen (Erwärmzone) durch eine Ventilette mit Schlitzdüse (siehe Abbildung). Dabei muss die Erwärmzone gleichmäßig, durch Drehen des Brillenbügels über der Ventilette, erwärmt werden. Das Biegen und die Anpassung des Hörbügels erfolgt in zwei Schritten

  1. Anpassung des Bügels an die Ohrform

Im ersten Schritt der Anpassung wird der Hörbügel in der Vertikalen gebogen und der Ohrform angepasst.

Anpassung des Bügels an die Ohrform

  1. Anpassung des Bügels an die Kopfform

Im zweiten Schritt der Anpassung wird der Hörbügel in der Horizontalen gebogen und an die Kopfform angepasst. Dabei ist es wichtig, dass die Konduktorplatte der Knochenleitungsbrille satt und ganzflächig im Bereich des Mastoid aufliegt. Somit ist eine optimale Vibrationsübertragung gewährleistet.

Anpassung des Bügels an die Kopfform

ACHTUNG: Vor jeder weiteren Anprobe und dem Aufsetzen des Gerätes am Kunden, die Erwärmzone auskühlen lassen!

Die Biegung darf nur im angegebenen Bereich der Erwärmzone durchgeführt werden. Es dürfen keine Werkzeuge wie Zangen verwendet werden, da das Kunststoffmaterial dadurch beschädigt werden kann. Durch Überschreiten des angegebenen Bereiches bei der Erwärmung können Schäden am Gehäuse und an der Elektronik entstehen.

Der Vorgang des Biegens des Hörbügels kann bei wenig Erfahrung mit Hilfe von Blindbügeln (Dummies) geübt und erlernt werden. Diese Bügel enthalten keine Elektronik oder andere Bauteile. Des Weiteren ist zu beachten, dass der Hörbügel nicht am Kopf anliegt, da dadurch die Klangqualität und die Sprachverständlichkeit beeinträchtigt werden und mechanische Rückkopplungen auftreten können. Um dies zu vermeiden, muss der Hörbügel eventuell stärker nachgebogen werden.

Anpassung des Bügels an die Kopfform

Nach erfolgter Anpassung wird empfohlen, den Abstand zwischen den beiden Brillenbügeln zu notieren. Sollte die Knochenleitungshörbrille im Servicefall ausgetauscht werden, kann die Knochenleitungshörbrille wieder leichter auf den ursprünglichen Abstand gebogen werden. Wird nur eine Seite, also monaural, angepasst, wird an der nicht zu versorgenden Seite ein Blindbügel (Dummy) montiert und verwendet.

Natürlich ist es auch möglich, durch etwas handwerkliche Arbeit, die Knochenleitungsbrille an eine vorhandene individuelle Brille anzupassen. Die folgenden Abbildungen zeigen dazu ein Beispiel, wo der Rastzapfen an einen vorhandenen Brillenbügel einer handelsüblichen Brille montiert wurde. Somit kann der Hörbügel auch an diese Brille gesteckt werden.

BHM Knochenleitungsbrille

3.2. Anpassung Miniatur-Knochenleitungshörsystem (contact mini)

Montage am Stirnband, Softband, Cap, etc…

Sowohl der Elektronikteil als auch der Knochenhörer sind mit Druckknöpfen ausgestattet. Diese Druckknöpfe ermöglichen ein einfaches Montieren auf das gewählte Stirnband, Softband, Cap, etc…

Anpassung Miniatur-Knochenleitungshörsystem
Abb: Beispiel Stirnband, Softband und Cap

Anpassung Miniatur-Knochenleitungshörsystem

Es muss sichergestellt werden, dass der Elektronikteil außen und vorne am Kopf und der Knochenhörer innen und am hinteren Ende des Kopfes montiert wird. Die beiden Teile werden mittels dem in der Tragemöglichkeit integriertem Kabel miteinander verbunden. Unsachgemäße Montage verursacht Fehlfunktionen des Hörsystems.

Anpassung Miniatur-Knochenleitungshörsystem

Die richtige und auf den Kunden abgestimmte Größe der Tragemöglichkeit ist wichtig für den optimalen Sitz der Knochenhörer am Mastoid und somit für die optimale Funktion des Hörsystems.

Montage am Haarreifen

Bei Verwendung eines Haarreifens verliert der Druckknopf am Knochenhörergehäuse seine Funktion und wird mit einer Schutzkappe abgedeckt. Der Knochenhörer wird mit Hilfe der sich am Gehäuse befindlichen Montagelöcher an der Spange des Haarreifens eingehängt. Der Elektronikteil wird mit dem Druckknopf seitlich am Haarreifen montiert. Die beiden Teile werden mittels dem im Haarreifen integrierten Kabel miteinander verbunden.

Anpassung Miniatur-Knochenleitungshörsystem

Teile werden mittels dem im Haarreifen integrierten Kabel miteinander verbunden. Bei einer binauralen Versorgung wird an beiden Enden des Haarreifens jeweils ein Hörsystem montiert. Bei der monauralen Versorgung wird nur ein Hörsystem an einer Seite montiert. An der anderen Seite gibt es die Möglichkeit einer Montage nicht.

BHM Haarreifen
Abb: links Haarreifen für monaurale Versorgung, rechts Haarreifen für binaurale Versorgung

Die richtige und auf den Kunden abgestimmte Größe des Haarreifens ist wichtig für den optimalen Sitz der Knochenhörer am Mastoid und somit für die optimale Funktion des Hörsystems.

Biegen des Haarreifens

Um eine optimale Passgenauigkeit bei Verwendung des Tragesystems Haarreifen zu gewährleisten, empfiehlt es sich, den Haarreifen bei Bedarf nach zu biegen.

Dabei wird schrittweise, wie in den Abbildungen gezeigt, vorgegangen:

  1. 1) Das Elektronikgehäuse, die Knochenhörer und die Kabel werden vom Tragesystem entfernt. Anschließend wird der Haarreifen, wie in Abbildung 1, für ca. 4 Minuten in ein passendes Gefäß mit heißem Wasser (80 Grad Celsius) getaucht.
  2. Der Haarreifen wird anschließend je nach individuellem Bedürfnis bzw. der Kopfform passend gebogen (Abbildung 2).
  3. Unter Beibehaltung der gewünschten Form wird der Haarreifen für ca. 4 Minuten in kaltes Wasser getaucht.
  4. Danach werden die Elektronikgehäuse, die Knochenhörer und die Kabel wieder auf das Tragesystem Haarreifen montiert.

BHM Haarreifen

3.3. Anpassung Taschenhörgerät (apollon)

Bei Verwendung des Taschenhörgerätes mit Knochenleitung findet die Versorgung über einen Haarreifen und Knochenhörer statt. Der bzw. die Knochenhörer werden mittels einem Kabel mit dem Taschenhörgerät verbunden. Es besteht die Möglichkeit einer monauralen als auch einer binauralen Versorgung.

BHM Taschengerät

Die richtige und auf den Kunden abgestimmte Größe des Haarreifens ist wichtig für den optimalen Sitz der Knochenhörer am Mastoid und somit für die optimale Funktion des Hörsystems. Um eine optimale Passgenauigkeit bei Verwendung des Tragesystems Haarreifen zu gewährleisten, empfiehlt es sich, den Haarreifen bei Bedarf nach zu biegen (siehe vorheriges Kapitel).